Brief, geschrieben kurz nach ihrem 64. Geburtstag an ihre achtjährige Enkelin

Aus Familienalbum
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Hildegard Grote
Scheessel, 29. März 1977

Mein geliebtes Tinkalein!
Heute war ich bei Mama und sie zeigte mir gleich Deinen Brief. Wir haben uns alle sehr gefreut. Ich danke Dir auch für Deine Grüße. Sie haben mich genauso erfreut, als hättest Du mir zum Geburtstag geschrieben. Schade, daß Du nicht hier sein konntest.
Weißt Du, mein Geburtstag ohne den lieben Opa war für mich sehr schwer und als ich morgens aufwachte, mußte ich weinen. Ich habe dann einen schönen Strauß Moosröschen beim Gärtner geholt und habe sie Opa auf's Grab gestellt. In anderen Jahren habe ich solche immer von Opa geschenkt bekommen. Nachmittags waren dann Papa, Mama, Johannes und Sebastian bei mir, es gab Kirschtorte. Abends waren dann Mama, Papa, Oma und Opa zum Abendbrot eingeladen. Es hat allen sehr gut geschmeckt. Danach haben wir noch Wein oder Bier getrunken und uns viel erzählt. Dabei haben wir die Briefe gelesen, die uns Deine Mama geschrieben hat, als sie mit 9 Jahren zur Kur auf der Insel Langeoog und mit 11 Jahren in Freudenstadt im Schwarzwald war. Aber weisst Du, sie hat auf jeden Brief das Datum geschrieben und das ist gut für später. Du mußt deshalb auch das Datum auf Deine Briefe schreiben! Denkst Du daran?
Von Papa und Mama habe ich eine wunderschöne Lampe über meinen Eßtisch bekommen, von Wolfgang bekam ich vom Gärtner einen großen bunten Frühlingsstrauß, Susanne schenkte mir 3 ganz langstielige rote Rosen und weißen Flieder und N[...]s kamen zu Euch rüber zum Gratulieren und brachten gelbe Fresien mit. Sabine war vorher schon in der Fliederstrasse gewesen, aber ich war ja am Vormittag bei Euch und habe mit Mama zusammen einen Thunfischsalat gemacht, den wir dann am Abend essen wollten.
Heute abend schläft Sebelchen bei mir, er freute sich sehr, als ich ihn heute gegen Abend mit in die Fliederstrasse nahm. Auf dem Weg hierhin hielt ich sein kleines warmes Händchen und erzählte immer fröhlich drauflos. Dabei beguckte er den hellen Mond, der schon halbvoll am Himmel stand und auf einmal entdeckte er im Westen die Sonne, die wie ein glutroter lohender Feuerball unterging. Er konnte nicht genug staunen, der kleine Schatz! Zum Abendbrot musste ich Kakao kochen, dazu hat er ein Leberwurst- und ein Käsebrot gegessen. Es schmeckt ihm immer gut, dabei bleibt er rank und schlank, der kleine Turner. - Morgen früh kann er Dir noch was malen.
[...]
Liebe Grüße für Dich, mein Tinkalein, und ein Küßchen sendet Dir

Deine Omi